Domke: Man wusste wenig und hat noch weniger daraus gemacht
Zur heutigen Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der NSU-Aktivitäten in Mecklenburg-Vorpommern erklärt der Vorsitzende der FDP-Fraktion und Mitglied des Untersuchungsausschusses, René Domke, MdL.
Zur heutigen Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der NSU-Aktivitäten in Mecklenburg-Vorpommern erklärt der Vorsitzende der FDP-Fraktion und Mitglied des Untersuchungsausschusses, René Domke, MdL:
"Die heutige Vernehmung des Zeugen, der insbesondere mit der Auswertung von Publikationen der rechtsextremistischen Szene befasst war, brachte durchaus einige Erkenntnisse über die mangelnde Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden untereinander. Es lässt sich zusammenfassen mit 'wenig gewusst und noch weniger daraus gemacht'."
"Der NSU konnte lange unbemerkt morden und die Ermittlungsbehörden an der Nase herumführen, weil den kleinsten Spuren zu wenig Bedeutung beigemessen wurde. So ist nach wie vor unschlüssig dargelegt, warum eine wichtige Publikation der rechtsextremistischen Szene nicht hinreichend ausgewertet wurde. Der Weiße Wolf, insbesondere die Ausgabe 18, beinhaltete eine Spende und Danksagung, die im Zusammenhang mit dem NSU hätte gebracht werden können. Warum sich hier die Verfassungsschutzbehörden untereinander nicht oder völlig unzureichend ausgetausch haben, ist eine der Schlüsselfragen."
"Es fällt auf, dass gar nicht klar war, wer in den Verfassungsschutzbehörden welche Ausgaben solcher Publikationen überhaupt besaß und auswertete. Und noch weniger war klar, dass diese mit teilweise brisanten Inhalten beispielsweise zur Enttarnung von V-Leuten nicht untereinander ausgetauscht wurden. Auch war auf Nachfrage nicht deutlich, wie hoch die Auflage und wie weit der Verbreitungsgrad solcher Magazine gewesen ist."
"Es fehlte zwischen als auch in den Behörden ganz einfach der Blick über den Tellerrand hinaus. Wenn man hört, dass rechtsextremistische Strukturen in der Bearbeitung abgetrennt waren von Phänomenen wie rechtsextremer Musik mit Konzerten, Shops und eigenem Vertrieb oder anderen Bereichen, dann lag darin ein entscheidendes Problem. Ein proaktiver Austausch war offenbar nicht gegeben. Und so hat ein wabenartiger Aufbau offenbar dazu geführt, dass Informationen gar nicht oder nur unzureichend zwischen diesen Waben ausgetauscht wurden."
"Ob eine frühere Deutung und konsequente Abarbeitung des Inhalts von Fanzines hätte einen früheren Zugriff auf die Mitglieder des NSU ermöglichen und Morde verhindern können, lässt sich nicht abschließend beantworten und wäre rein spekulativ."
"Fakt ist jedoch, dass selbst nach der Selbstenttarnung des NSU die Zusammenarbeit nicht optimal verlief. Wie ist es zu erklären, dass danach eine Sichtung aller Akten angeordnet wurde und ausgerechnet der Sachbearbeiter, der den Phänomenbereich durch eigene Bearbeitung am besten kannte, gar nicht mehr einbezogen war? Es stellt sich die Frage, ob man der Aufklärung nicht die entsprechende Bedeutung beimaß oder ob der Zeuge als seinerzeit zuständiger Sachbearbeiter nicht oder nicht mehr das Vertrauen genoss, um mitzuwirken."
"Für mich zeichnet sich ein Bild ab, was es dringend erforderlich machte und wohl noch immer macht, die Architektur des Verfassungsschutzes in der Bundesrepublik den gebotenen Herausforderungen anzupassen. Tunnelblicke, ungeteiltes Wissen, starre Kompetenzreiterei ohne Koordinierung und ohne Austausch können eine Verfassung und einen Staat nicht wirksam schützen."